Kompetenzen, Theorien, Medien (?) der Geschichte

Wenn Kollega Haber schon darauf hinweist, sollen hier auch ein paar Worte darüber verloren werden, über meine Reise nach Eichstätt im malerischen Altmühltal (die schöne landschaftliche Lage muss man sich mit schlechten Bahnverbindungen erkaufen), wo an der katholischen Universität ziemlich intensiv Geschichtsdidaktik betrieben wird, was dank eines umfassenden mehrjährigen Forschungsprojektes auch in Zukunft so sein wird.

Die Tagung konzentrierte sich primär auf die Frage, über welche Kompetenzen Lehrpersonen verfügen müssen, um bei Ihren Schüler/innen Kompetenz fördern und diagnostizieren zu können; also um „Kompetenzen zweiter Ordnung“. Und da die Geschichtsdidaktiker/innen diese Lehrpersonen ausbilden, müssen die ja auch Kompetenzen-kompetent sein. Bin ich in der Lage, bei meinen Lehramts-Studierenden festzustellen, ob sie ihre Schüler/innen in der Entwicklung ihrer Kompetenzen fördern können, muss ich folgerichtig kompetenzförderkompetenzdiagnosekompetent sein.

Dabei ging es nicht um Kompetenzen im Allgemeinen, sondern um „historische“ Kompetenzen, die mittlerweile in vielen verschiedenen Modellen angeboten werden. Und hierüber, was eigentlich das genuin „historische“ an den Kompetenzen sein solle, entzündete sich auch eine lebhafte Diskussion. Zurückgehend auf Jörn Rüsen, der gleichsam als „elderly statesman“ an der Tagung teilnahm, verwies etwa Michele Barricelli auf die „Vor-Pisa-Standard-Kompetenz-Debatte“-Kompetenz, die das Wesen des historischen Denkens zu fassen versuche: die narrative Kompetenz – Ausdruck des narrativistischen Verständnis von Geschichte, das in der Geschichtsdidaktik vorherrschend ist. ((Vgl. Barricelli, Michele: Schüler erzählen Geschichte. Narrative Kompetenz im Geschichtsunterricht, Schwalbach 2005.))

Die Frage nach dem eigentlichen Historischen in den Kompetenz-Definitionen und -diskussionen beschäftigt mich auch im Zusammenhang mit meiner wissenschaftlichen Arbeit rund um die Frage, wie Schüler das Internet, bzw. Social Software für das Geschichtslernen nutzen. Wo endet die Medienkompetenz, wo beginnt die historische Kompetenz, wo überschneiden sich die beiden Kompetenzbereiche? ((Diese Fragestellugn ist auch ein Grund, weshalb ich hier immer wieder mediendidaktische und medienpädagogische Arbeiten und Überlegungen thematisiere))

An der Tagung in Eichstätt hingegen waren die Medien der Geschichte, bzw. die Medien des Geschichtslernens kaum bedeutsam – entsprechend fehlte es auch an Überlegungen dazu, wie sich der digitale Wandel hier konkretisiert.

Handfest wurde der digitale Wandel weniger in den theoretischen Ausführungen, als in den konkreten Anwendungen. So zeigte sich die Schwierigkeit, einen über drei Länder verteilten Arbeitskreis in einer für vielen ungewohnten Webplattform zu koordinieren. Oder es überraschte der bekannte Geschichtsdidaktiker Hans-Jürgen Pandel mit der doch seltsam anmutenden Behauptung, die Förderung von Präsentations-Kompetenz (so fragwürdig der Begriff auch ist) sei lediglich für die Schule von Bedeutung: denn kein Erwachsener benötige die Fähigkeiten und das Wissen, mit PowerPoint Inhalte zu präsentieren. Aber vielleicht ist das ja auch einfach die Erklärung dafür, dass ich in letzter Zeit ((auch und gerade wieder in Eichstätt, wo ich in einer Präsentation (für Erwachsene…) eine vier(!)zeilige Folien-Überschift zur Kenntnis nehmen durfte)) soviele, hmm, inkompetente Powerpoint-Präsentationen über mich ergehen lassen musste.

3 Gedanken zu „Kompetenzen, Theorien, Medien (?) der Geschichte“

  1. Danke, Kollega Hodel, für den informativen Bericht. Bei der Lektüre des Eichstätter Programmes war mir, ich gebe es zu, ja nicht immer ganz klar, wo der Ernst aufhört und die Ironie langsam zu greifen beginnt: Der hübsche Titel „Von der Graduierungslogik über notwendige Diagnoseinstrumente zur Diagnostik als Aufgabe des Lehrers“ zum Beispiel symbolisiert für mich nicht nur die analytische Komptenz, sondern auch den Schalk, für den die Geschichtsdidaktik in unseren Kreisen schliesslich bekannt ist. Dass diese rhetorische Leistung nun mit dem Jahresunwort „kompetenzförderkompetenzdiagnosekompetent“ getoppt wurde, finde ich bemerkenswert und ich hoffe, dass diese Leistung auch gebührend gewürdigt werden wird. Ich bin überzeugt, dass die Geschichtswissenschaft, die ja leider zu einer weitgehend didaktik-freien Zone verkommen ist in den letzten Jarhren, sich ein Vorbild nimmt an der sprachlichen Kreativität unserer Geschichtsdidaktiker und in Zukunft vermehrt sich entsprechender Hilfsmittel bedienen wird.

  2. Das Zitat von Hans-Jürgen Pandel zeigt wohl eine alles andere als vorbildliche Einstellung. Ich bin kein Experte zum Thema Didaktik, aber ich dachte immer, dass eine greifbare und übersichtliche Darstellung des Themenkomplexes dazu gehört. Zwar lässt sich das auch mit den guten alten Tageslichtprojektoren oder Handouts erreichen, aber Powerpoint (oder verwandte Programme) bieten mehr Möglichkeiten.
    Aber eben der Umgang damit muss geschult werden, damit nicht so viele Vorträge den Anschein eines sadistischen Ritus erwecken. Der Begriff Präsentations-Kompetenz lässt darauf schließen, dass nicht nur Powerpoint mit der Aussage gemeint war. Dabei ist es wichtig viele Vorträge etwas zu „entstauben.“

  3. Auch ich muss mich noch mal auf das Zitat von Pandel beziehen. In Anbetracht der Tatsache, dass das Studium auf Bachelor umgestellt wurde und sowieso nur die Wenigsten Historiker werden, ist es doch selbstverständlich, dass sie Präsentationskompetenzen brauchen. In fast jedem Beruf, in dem Geisteswissenschaftler heute arbeiten, brauchen sie diese und noch viele andere Kompetenzen. Abgesehen davon brauchen gerade auch Wissenschaftler, also der gemeine Historiker, diese Kompetenzen. Wir arbeiten doch alle daran, dass die historische Lehre entstaubt wird. Das gehört schließlich dazu. Wenn ich mich im Seminar umhöre, höre ich, dass das Prinzip Referat, Hausarbeit das Gängige ist. Und das wird sich bei vielen Kollegen auch nicht ändern.

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