Was war E-Learning?

e-learning

Als wir vor zehn Jahren mit hist.net und unseren Lehrveranstaltungen anfingen, trafen wir eine sonderbare hochschulpolitische Situation an:

In den Universiätsverwaltungen dominierte die Erwartung, mit E-Learning die Kosten für die Lehre massiv senken zu können. Es war die Zeit, als der Bologna-Prozess begann – die Unterzeichnung der berüchtigten Erklärung fand 1999 statt – und schon seit einigen Jahren pfiffen es die Spatzen von Dächern, dass der neoliberale Umbau der Universitäten nächstens bevorstehen werde.

Dieser setzte dann mit der Jahrtausendwende schneller und heftiger ein, als von den meisten befürchtet, und richtete, wie wir ja wissen, vor allem in den Geisteswissenschaften einen nicht unerheblichen Flurschaden an. Die Apologeten von ICT (Information and Communication Technology) respektive NIKT (Neue Informations- und Kommunikationstechnologien), wie das in dieser Szene technizistisch-euphemistisch damals hiess, erhielten durch die neuen Universitätsbürokratien Rückenwind. E-Learning wurde für die meisten traditionellen Geisteswissenschafter zum «no go».

Zehn Jahre später liest man im Programm der «14. Europäischen Jahrestagung der Gesellschaft für Medien in den Wissenschaften» (GMW):

Mit diesem Beitrag möchten wir dafür plädieren, e-learning abzuschaffen. Natürlich meinen wir damit nicht, dass Computer und Internet wieder aus dem Hochschulunterricht verbannt werden sollen; jedoch sind wir überzeugt, dass es ihrer Verwendung in der Lehre förderlich wäre, wenn der Begriff „e-learning“ in den Ruhestand versetzt würde und neue, flexiblere Ausdrücke an seine Stelle treten würden.

Die GMW-Tagung wid von Microsoft, Adobe, Blackboard und weiteren Playern der Szene gesponsert und ist mitnichten europäisch, sondern beschränkt sich weitgehend auf den deutschsprachigen Raum, wie es die GMW auch tut. Der oben zitierte Tagungsbeitrag stammt übrigens vom LearnTechNet der Universität Basel.

Was war passiert? Geht es um neuen Wein in alten Schläuchen? Oder ist E-Learning am Ende? Wohl beides. E-Learning ist tatsächlich am Ende. Das Konzept, wie es von den zentralen Universitätsbürokratien gerne den Dozierenden verordnet worden wäre, ist gescheitert – zur Hauptsache deswegen, weil die Entwicklungen völlig didaktikfrei jeweils von den technischen Machbarkeiten und nicht von den tatsächlichen Bedürfnissen geleitet wurden. Das mag in einigen Disziplinen funktioniert haben, in den Geistes- und Kulturwissenschaften ist das Projekt – alles in allem – grossartig gescheitert.

Zumindest einen Nischenplatz konnten sich aber Unterrichtsformen erobern, die den Begriff E-Learning breit ausgelegt oder gar nicht erst verwendet hatten und die experimentell neue Entwicklungen im Netz in den universitären Unterricht einzubauen versuchten. Wir haben an dieser Stelle immer wieder über entsprechende Beispiele und auch eigene Erfahrungen berichtet.

Dass der Begriff E-Learning und damit wohl oder übel auch die veralteten E-Learning-Konzepte von den bisherigen Akteuren zur Disposition gestellt werden, freut uns, zumal wir selbst auch unsere eigenen Versuche nie mit E-Learning umschrieben haben. So sind wir gespannt, wie der Vorstoss der Kolleginnen vom LearnTechNet aufgenommen werden wird.

3 Gedanken zu „Was war E-Learning?“

  1. Schon interessant: Da bemühten wir uns, die Geschichte ins e-Learning, und dann, das e-Learning in die Geschichte zu bekommen – nun ist e-Learning Geschichte. So schnell kanns gehen!
    Oder sagen wir: das e-Learning, wie wir es kannten, ist Geschichte. Mittlerweile sind wir ja schon bei „e-Learning 2.0″ – und bald bei 3.0, 3.5, 4.2 usw.

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