Geschichte von und in SecondLife

Zuweilen bin ich selbst erstaunt über die telepathisch anmutende Parallelität, mit der Peter Haber und ich uns der gleichen Themen annehmen (ich spiele an auf Peters Eintrag von gestern zu secondhistory.com). Seit Anfang dieses Jahres denke ich daran, einen Blog-Eintrag zu Second-Life zu verfassen. Mich faszinieren die Möglichkeiten einer „totalen“ Geschichte und die Komplikationen einer „doppelten Geschichte“ zwischen „First Life“ und Second Life.

Angeregt wurde ich durch den Artikel von Tobias Bevc (in meinem Beitrag zu Politik- und Gesellschaftsbildern in PC-Games); dann fiel mir ein längerer Reisebericht aus Second Life von Helge Städtler ins Auge. Der eignet sich gut, um einen Eindruck davon zu bekommen, wie sich der Aufenthalt in Second Life „anfühlt“. Einen ähnlichen Reisebericht schrieb Reto Hunziker im „Magazin“ am letzten Samstag unter dem vielsagenden Titel „Ich, Peniz Petit“ – die ersten beiden und die letzten beiden Sätze lassen die Grundstimmung bereits erkennen:

„Alle reden von Second Life. Sie wissen ja, worum es geht. […] Ich verzichte darauf, Sex [in Second Life, jh] zu haben. Ich glaube, ich verzichte überhaupt auf Second Life.“

Dazu kamen vereinzelte Artikelchen und Hinweise in der Tagespresse: Reuters schickt einen Journalisten nach Second Life, um während des WEF im Januar 2007 Prominente zu interviewen; auch Klaus Schwab hält eine Rede in Second Life. Und natürlich dürfen auch Bürgerrechtler nicht fehlen, die diese Veranstaltung stören. Gegen LePen, dessen Partei ein Informationszentrum in Second Life eingerichtet hat, wird eine Demo organisiert. Schweden eröffnet eine Botschaft, IBM (wie andere Firmen) eine Niederlassung, Bild.T-Online lanciert eine Zeitung – das alles in Second Life.
Second Life ist ein Trend – sagen die einen (zum Beispiel die Zeit oder die Süddeutsche Zeitung), ein Hype – sagen die anderen (zum Beispiel die Blogger Don Alphonso und Clay Shirky). Einen guten Einblick ermöglicht die bereits von Peter Haber erwähnte Karin Wehn, sie hat jüngst zwei Artikel in Telepolis zu Second-Life veröffentlicht („Silvester feiern in Second Life“ und „The „New“ New Economy in Second Life?„).

Zwei Dinge finde ich bemerkenswert und faszinierend.

Play/Game
Zum einen wäre da die Konvergenz von PC-Games und web 2.0, die sich auch in einer stärkeren Ausrichtung von Second Life am Konzept des „play“ im Gegensatz zum „game“ äussert. Die Regeln sind relativ frei, die Gestaltungsräume gross. Es gibt kein von den Spielprogrammieren vorgegebenes Ziel zu erreichen: eine Prinzessin zu retten oder ein Schlacht zu gewinnen oder ein Rätsel zu lösen. Stattdesse geht es wie im richtigen Leben darum, etwas aus sich zu machen. Dabei ist das Spiel eben nur dann interessant, wenn sich möglichst viele daran beteiligen. Das ich eine tolle, gutaussehende Person bin mit riesigem Anwesen, empfinde ich nur dann als Erfolg, wenn das viele andere Personen mitkriegen und bewundern.

Die „totale“ oder die „doppelte“ Geschichte?
Fast noch interessanter finde ich die von Peter Haber bereist aufgeworfene Frage nach der Geschichtlichkeit – und zwar in zweifacher Hinsicht. Zum Einen läuft ja Alles in dieser virtuellen Welt in einem vorgebenen technischen Rahmen ab, der im Prinzip ein vollständige Aufzeichnung aller Geschehnisse erlaubt. Grenzen setzt hier nur der Speicherplatz. Hier ist also wirklich ein „direkter“ Zugang zur Vergangenheit, ja sogar ihre originalgetreue Rekonstruktion möglich. Wäre das die Geschichte von Second Life? Oder wäre „Geschichte“ nicht doch eher die Konstruktion von Vorstellungen über die Vergangenheit der Subjekte in Second Life selber? Also das, was die Avatare als „Geschichte“ in Second Life selber schreiben, behaupten, sammeln, verhandeln? Anschaulich machen kann ich das vielleicht am Beispiel der „second-oral-history“ (um die Nomenklatur von Peter Haber weiter zu führen): Wenn wir Avatare in Second Life nach ihren Biographien, ihren Lebensgeschichten und ihrer Sicht auf Ereignisse in Second Life befragen, beschränken sich die Antworten auf die „Realität“ von Second Life? Oder fliessen da Konzepte, Deutungen und Überzeugungen aus dem „ersten Leben“ der Menschen ein, die hinter den Avataren stehen? Die Frage nach den Konsequenzen der „gespaltenen“ Spiel-Figuren ist ja wohl nicht ganz neu, denn es gibt ja schon länger solche Online-Rollenspiele. Aber in Second Life ist erstmals ein Spiel so nahe der Wirklichkeit nachgebildet worden. Das führt ja auch zu seltsamen Hoffnungen und harter Kritik.

Wirklich eine Affaire a suivre…

Literatur:

Ein Gedanke zu „Geschichte von und in SecondLife“

  1. SecondLife —> ist NUR der beste Weg, zu einem Nebendarsteller von „Sie leben“, zu werden, die man sieht, wenn man durch die Brille schaut..

    um dann irgendwann seine virtuelle Realität zu leben.. ja Realität!

    Doch ein Glück sind diese Irren, dann wenigstens von der Strasse.. !!!

    Dabei ist es so einfach, denn nicht Verbindungen (secondlife) begeistern, sondern Begeisterung im „Firstlife“ verbinden..

    Mein Beileid!
    für die die dieses nicht verstehen können, stattdessen lassen sie sich nur von der so genannten Werbe-HypEnose einfangen..

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